Tag 20
Pont du Gard – Avignon
34,8 km 144 hm


Heute ist definitiv der Tag, der mich ins „normale“ Leben zurückbrinden wird. Das fängt schon nach dem Aufstehen an, denn heute ist es vorbei mit dem „La dolce vita“ und dem zeitlich ungebundenen Sich-Treiben-Lassen. OK, auch in den vergangenen drei Wochen musste ich zumindest ein Mindestmaß an Zeiten beachten, um beispielsweise die Supermärkte vor Ladenschluss oder die Boulangerien vor der Mittagspause zu erreichen. Aber ersteres war dank meiner frühen Etappenenden nie ein Problem und bei den Bäckereien hat es auch nicht immer geklappt und ich bin dennoch nicht verhungert.

Aber heute ist richtiges Zeitmanagement gefragt, um rechtzeitig, aber nicht zu früh am Bahnhof in Avignon zu sein. Ich rechne für die knapp 35 Kilometer knapp 2 Stunden Fahrtzeit ein, hinzu kommt der obligatorische Besuch einer Bäckerei und ein letztes Einkaufen in einem Supermarkt, den ich letztes Jahr in Aramon gesehen habe. Selbst wenn ich noch eine ausgiebige Pause einlege, brauche ich nicht vor 10 Uhr vom Campingplatz zu starten (mein Zug fährt um 13.20 Uhr ab). Also schlafe ich in aller Ruhe einmal ausgiebig aus und lasse mir beim Zeltabbau ausgiebig Zeit – so zumindest mein Plan, den ich gestern Abend ausgetüftelt habe. Doch der ist bereits gegen 7 Uhr geplatzt, als die Sonne auf mein ungeschütztes Zelt knallt und in eine kleine gemütliche Sauna verwandelt. Damit kann ich das Ausschlafen vergessen und so trotte ich um kurz nach 7 Uhr mit meinem Plan B in Richtung Schwimmbad. Aber auch dieser Plan hat keinen langen Bestand, denn vor dem Eingang ist eine schwere Kette gespannt und der Pool somit noch geschlossen. Und der spontan gefasste Plan C, ausgiebig und lange zu duschen, scheitert nach wenigen Minuten am viel zu heißen Wasser. Und so liege ich gegen 8 Uhr auf meiner Isomatte – der Rest meiner Klamotten ist in den Taschen verpackt und suche nach einem Plan D. Der wird aber trotz intensivem Nachdenken nicht gefunden und nach einer halben Stunde auf der Matte wird es mir zu blöd und ich mache mich auf den Weg – mit dem Wissen, die erste Wiedereingewöhnung im Zeitmanagement gerade gründlich zu vergeigen. Denn trotz Einkauf, Bäckereibesuch und zweier Pausen stehe ich um kurz nach 12 Uhr im Bahnhof.

Die Anzeigentafel verkündet übles: bis auf meine Verbindung werden alle Züge mit zum Teil erheblichen Verspätungen angekündigt. Doch ich scheine Glück zu haben. Zwar kommt der Zug auch erst zehn Minuten später als im Fahrplan angekündigt, aber eine solche Verspätung ist kein Problem für meine Anschlusszüge. Doch in Lyon ist Stillstand angesagt und der Zugführer kündigt den größtenteils entsetzten Fahrgästen eine Verspätung von 60 Minuten an. Inzwischen (kurz hinter Lyon) sind wir bei 90 Minuten angelangt und so langsam werde auch ich nervös und sehe mich auf dem Bahnhof in Mulhouse oder Basel die Nacht verbringen.

Aber alles wird gut – der geplante Anschluss von Mulhouse nach Basel ist zwar längst weg, aber es gibt genügend Ausweichverbindungen, so dass ich rechtzeitig am Bahnhof in Basel ankomme und sogar noch etwas Zeit habe, ins normale Leben zurückzufinden und mir meine erste Zeitung zu besorgen. Die Vorrunde der EM geht heute Abend mit dem Spiel Schweiz-Honduras zu Ende und ich kenne bisher kein einziges Ergebnis der gesamten WM. Und jetzt erfahre ich auch, warum die Franzosen so relaxt auf dieses bombastische Ereignis reagiert haben, denn während der letzten zwei Wochen habe ich so gut wie keine Fahnen an den Fenstern oder gar Autokorsi nach den Spielen gesehen. Jetzt erfahre ich auch, warum......

Der Nachtzug nach Köln ist wie auf der Hinfahrt eine harte Prüfung für mich, denn ich finde keine Liegeposition, bei der die Sessel bequem sind. Und so quäle ich mich von Viertelstunde zu Viertelstunde und bin froh, als ich nach kurzem Einnicken endlich den Bonner Bahnhof sehe.

Köln – Leverkusen
17,8 km



Die S-Bahn fährt erst wieder in einer halben Stunde, also schwinge ich mich gegen 6 Uhr auf das Rad und eile meinem Bett entgegen.....

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