Tag 1
Freiburg – Seppois-le-Bas
117 km 838 hm



Eigentlich beginnt die Fahrt bereits einen Tag vorher, als ich abends gegen 10 Uhr Richtung Köln losfahre. Hinter mir liegt ein unerwartet anstrengender Arbeitstag und eine anfangs leichte, im Verlaufe des Nachmittags aber zunehmende Hektik beim Packen und Vorbereiten.

Doch eigentlich muss ich noch weiter ausholen. Denn seit wenigen Wochen bin ich stolzer(?) Besitzer eines Outdoor-Navigationsgerätes. Warum ausgerechnet ich, der bisher diesem „elektronischen Schnickschnack“ nicht sonderlich viel abgewinnen konnte, mir nun auch so ein Teil gekauft habe, erschließt sich mir bis heute nicht genau – wahrscheinlich war es einfach nur das beschissene Wetter, welches mir jegliches Radfahren verwehrte und spontane Frusteinkäufe bewirkte. Nach einem Monat GPS hatte ich das Gerät aber weder begriffen noch ausgiebig testen können – was mich aber nicht davon abhielt, mir mittels eines Routenplaners eine vermeintlich landschaftlich reizvolle Fahrtstrecke quer durch Frankreich zu basteln. Nach vielen auch frustrierenden Stunden hatte ich es dann irgendwie geschafft, mir verschiedene Tagestouren als Route auf mein GPS-Gerät zu speichern – ob sie aber auch wirklich funktionieren werden, ist nicht sicher.

Durch diese ständige Beschäftigung mit dem Thema GPS und Navigation in meiner freien Zeit vernachlässigte ich dann jedoch das Sich-Beschäftigen mit den sonstigen Reiseutensilien. Aber das war ja nicht meine erste Radreise, was sollte passieren?
Es passierte, dass ich gegen 21 Uhr vier pickepackevolle Radtaschen vor mir stehen hatte – aber auch noch einen nicht zu unterschätzenden Berg an Klamotten und Utensilien, die ich unbedingt noch mitnehmen musste. Und so verbrachte ich die letzte Stunde damit, Sachen einzupacken, auszupacken, umzupacken, wieder auszupacken usw. Irgendwann hatte ich komplett den Überblick verloren und fuhr einfach los.

Die 17 Kilometer in zunehmender Dunkelheit waren schnell absolviert, auch wenn zwei Stadtteilfeste kleine Umwege erforderlich machten. Ich war frühzeitig am Bahnhof, wartete auf den Zug (der dann kam) und das Einsetzen des Urlaubsgefühls (welches nicht kam).

Der Zug war voll und die etwas futuristisch aussehenden Liegesessel des City Night Liners eine einzige Tortur – die sechs Stunden bis Freiburg verbrachte ich musikhörend und nur kurz schlummernd auf meinem Platz – und war froh, gegen sechs Uhr den Zug endlich verlassen zu dürfen. Raus aus den Bahnhof und die Spannung steigt – das Navi wird eingeschaltet und die erste Route ausgewählt. Es dauert und dauert und ich befürchte, bereits das erste überflüssige Teil meines Gepäcks ermittelt zu haben. Doch dann piepst es und ich erkenne auf dem Display die erste Richtungsanweisung. Ich komme (dank GPS) schnell aus Freiburg heraus und beginne die Tour 2010 – mit einer Steigung. Nichts dramatisches, aber unerwartet, denn eigentlich habe ich, da ich mich Richtung Rhein bewege, eher ein sanftes Gefälle erwartet.

Doch die Steigung ist nur kurz und die Landschaft nett und irgendwann bin ich „oben“ und mache mich an die anschließende Abfahrt zum Rhein. Ich überquere den Fluss und verlasse Deutschland in Fessenheim an der imposanten Staustufe eines Wasserkraftwerks. Ich meine mich zu erinnern, dass Fessenheim auch Standort eines Atomkraftwerks ist, aber ich sehe keinen dieser typischen riesigen Kühltürme (Nachtrag: In Fessenheim befindet sich tatsächlich ein AKW).





In Frankreich folge ich der direkt am Strom gelegene Departementstrasse, was sich als keine sonderlich kluge Entscheidung herausstellt. Denn die Sicht auf den Rhein verhindert ein bewaldeter Deich und ein Überqueren des Deiches macht nur Arbeit und bringt wenig Erbauliches, denn der Fluss ist hier eingezwängt in ein unattraktives Betonbett und ähnelt einem öden und toten Kanal.



Hinzu kommt, dass sich am Straßenrand einiges an Industrie angesiedelt hat, welches naturgemäß dem natürlichen Charme einer Straße eher hinderlich ist. So strample ich die Rheinkilometer eher frustvoll denn lustvoll ab – was sicherlich auch daran liegt, dass der heftige Schlafmangel der vorherigen Tage langsam seinen Tribut fordert. Irgendwann beschließe ich, mir ein ruhiges Fleckchen für eine Siesta zu suchen. Ich habe inzwischen 60 Kilometer (und damit über die Hälfte des heutigen Plans) absolviert und es ist gerade mal 11 Uhr. Die frühe Startzeit lässt mir genügend Zeit für eine längere Pause. Ich finde einen netten versteckten Platz am Rande einer kleinen Waldlichtung, packe meine Isomatte aus und verbringe die nächsten zwei Stunden in einem angenehmen Nirwana.
Als ich weiterfahren will, ist es äußerst schwül geworden und am Horizont deuten dunkle Wolken einen heftigen Wetterumschwung an. Ich schwinge mich aufs Rad und verlasse nach wenigen Kilometern die ungeliebte Rheinstraße. Jetzt geht es erst mal wieder leicht bergauf – und wettermäßig steil bergab. Denn obwohl die dunkelschwarzen Wolken größtenteils folgenlos an mir vorbeiziehen, erwischen mich dann doch erste Tropfen. Ich suche mir in meinem Taschengewühl meine Regenklamotten zusammen, doch dann merke ich schnell, dass es so dramatisch wahrscheinlich nicht werden wird. Also muss die Regenjacke reichen und ich mache mich im leichten Niesel in einem ständigen Auf und Ab Richtung Tagesziel.



Der Regen hört schnell wieder auf und kurz bevor ich Seppois-le-Bas erreiche, scheint auch noch einmal die Sonne. Ich freue mich auf einen Sprung in den campingplatzeigenen Pool – aber das nahende Gewittergrollen macht meinem Plan einen Strich durch die Rechnung. So baue ich mein Zelt auf, ärgere mich über den hohen Übernachtungspreis (14,30 EUR) und die viel zu heiße Dusche und begrüße zwei ältere holländische Reiseradler, die gerade angekommen sind. Doch zu einem ausführlicheren Gespräch kommt es nicht, da erste Tropfen vom Himmel fallen und wir in unsere Zelte fliehen. Das Warten auf ein Regenende im Zelt führt schnell zum endgültigen Einnicken und irgendwann in der Nacht krieche ich endgültig in den Schlafsack und schlafe tief und fest bis zum nächsten Morgen.





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