Tag 10
Die – Le Cheylard
125 km 796 hm


Der Sturm ist glücklicherweise ausgeblieben – der Regen aber leider nicht. Es regnet mehr oder weniger die ganze Nacht hindurch, so dass ich mich in der Morgendämmerung frage, ob ich den Tag heute im Zelt verbringe oder mich doch auf den Weg machen soll. Der Regen wird weniger und hört kurz ganz auf. Damit ist die erste Entscheidung des heutigen Tages gefallen und hastig präpariere ich meine Taschen und beginne mit dem Abbau des pitschnassen Zeltes. Der in diesem Moment wieder einsetzende Regen wird von Minute zu Minute stärker, so dass ich meinen Beschluss schon bereue – aber jetzt ist es zu spät zum Bleiben und ich verschiebe lediglich die fällige Abfahrt um eine halbe Stunde. Im Büro des Campingplatzes hängt eine Wetterprognose und die kündigt für die nächsten drei Tage nur Regen und Gewitter an, was meine Stimmung nicht unbedingt verbessert. Ich versuche, einer Fahrt im Regen auch positive Seiten abzugewinnen und reiße mich von dem trockenen, aber nicht unbedingt schönen Toilettenvorraum los und beginne die Fahrt. Im Zentrum von Die versorge ich mich mit süßen Nahrungsmitteln und überdenke meine Pläne. Die Fahrt auf den Col du Rousset kann ich streichen, denn die Berge der Umgebung liegen komplett in den Wolken und eine Befahrung macht keinen großen Sinn. Also streiche ich die geplante Rückkehr in den Vercors und beschließe stattdessen, direkt Richtung Westen zur Rhone zu fahren. Es regnet und regnet und regnet. Bereits in kürzester zeit bin ich klitschnass – und das trotz Regenjacke, -hose und -schuhe. Aber es regnet so stark, dass das Wasser in jede noch so kleine Ritze dringt und jeder Versuch eines Schutzes zwar gut gemeint, aber schnell ziemlich wirkungslos ist. Doch glücklicherweise ist es nicht sonderlich kalt und nach einigen Eingewöhnungskilometern gewinne ich zunehmend Spaß an der Regenfahrt. Die Straße ist gut ausgebaut und relativ verkehrsreich – aber das ist mir heute egal und ich trete wild in die Pedalen.



Da überholen mich doch tatsächlich drei Rennradfahrer und ich freue mich, nicht der einzige Bekloppte zu sein, der bei diesem Wetter auf zwei schmalen Reifen unterwegs ist. Ich will ich in ihren Windschatten klemmen, aber ihre 30 km/h sind etwas zu schnell für mein vollgepacktes Rad und die fehlenden Schutzbleche an ihren Rädern machen das „Hinterradlutschen“ auch zu einem getrübten Vergnügen. Also lasse ich die Drei ziehen und fahre in meinem eigenen Tempo Crest und später der Rhone entgegen. Die Landschaft empfinde ich als nicht sonderlich attraktiv, was aber auch an dem tristen Himmel und den doch intensiven Eindrücke der vergangenen Tage liegen mag – und so bin ich froh, endlich die Rhone zu erreichen. Gegen 12 Uhr überquere ich den breiten Strom und der Regen lässt deutlich nach.



Schnell gelange ich zur Eyrieux, einen kleinen Fluss, dessen Verlauf ich den Rest des Tages folgen werde. Die Umgebung wird auch wieder deutlich interessanter, der Fluss hat sich in vielen Kurven sein Bett durch das kleine „Gebirge“ gegraben.



Die Straße verläuft fast permanent in Flussnähe, so dass keine nennenswerten Höhenunterschiede anstehen. Parallel zu Fluss und Straße verläuft eine stillgelegte Eisenbahnlinie, die zumindest teilweise asphaltiert ist und als Weg genutzt wird. Doch ich bin mir nicht sicher, ob dies auch in den zahlreichen Galerien und kleinen Tunnels möglich ist und verzichte angesichts meiner nachlassenden Kräfte auf den Versuch, die Trasse zu befahren.



Kurz vor Le Cheylard sehe ich erstmals am heutigen Tag meinen Schatten – die Sonne schafft es doch tatsächlich einmal, die dichten Wolken zu durchbrechen.





In Le Cheylard soll es zwei Campingplätze geben. Platz 1 erweist sich aber dann als geschlossen (nachdem ich eine 14% Abfahrt hinabgerollt bin) und Platz 2 liegt weit oberhalb des kleinen Städtchens. Der erste Eindruck ist ernüchternd: zwei verwaiste und ein genutzter Wohnwagen, ansonsten gähnende Leere. Doch auf den zweiten Blick offenbart der Platz einen gewissen Charme. Mitten auf dem Platz steht eine alte Burg, die Sicht auf den Ortskern ist sehr schön und auf dem Gelände stehen einige riesige und uralte Bäume, die zu einer Zeit gepflanzt wurden, als es das Wort Camping noch gar nicht gab. Ich kann mich nicht erinnern, jemals so mächtige Nadelbäume gesehen zu haben.



Nach dem fälligen Supermarktbesuch verspüre ich gar keine Lust mehr zum Kochen, und so wandert fast der komplette Einkauf in den eh schon vollen Taschen. (Gestern hatte ich angesichts des ersten „richtigen“ Supermarktes seit mehreren Tagen schon weit über meine Packverhältnisse eingekauft.) Jetzt schleppe ich bereits zwei vollständige Abendessen durch die Gegend....

Der Blick zum Himmel zeigt wieder die komplette Bandbreite von schlecht zu grauenhaft ab, so dass ich nach den bisherigen Erfahrungen morgen eigentlich einen recht schönen Tag verbringen sollte. Schön wär's ja.


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