Tag 12
Le Cheylard – Montpezat-sous-Bauzon
78 km 1453 hm


Am Morgen ist das Wetter wie zu Beginn des Urlaubs. Dunkle Wolken, aber auch blauer Himmel – besseres Wetter will ich angesichts der desaströsen vergangenen zwei Tage auch gar nicht verlangen. Ich bin nicht gut aufgestanden heute – und etwas lustlos packe ich meine Klamotten zusammen. Ich überlege sogar ernsthaft, dem gestrigen Ruhetag heute einen Zweiten folgen zu lassen. Aber schließlich komme ich dann doch noch in die Pötte und starte nach einem kurzen Zwischenstopp in der Boulangerie die heutige Fahrt. Ich weiß nicht genau, wie lange meine heutige Etappe sein wird, da mein Navigationsgerät einen ziemlich exotischen Routenverlauf vorschlägt, der zwei Kehrtwendungen beinhaltet, die ich natürlich ignorieren werde. Auf der Hauptstraße von Le Cheylard überholen mich zwei Rennradler und ich frohlocke, dass dann das Wetter so schlecht nicht werden kann. Doch dann überholt mich ein dritter, vierter und fünfter Radler und mir schwant, dass ich mal wieder in eine französische RTF geraten bin. Aber nicht in irgendeine (es ist schließlich erst Donnerstag), wie mir erklärt wird, sondern in die „L'Ardechoise“ - eine viertägige Breitensportveranstaltung allererster Güte. Überall in den Orten ist festlich geschmückt und mit Plakaten und Spruchbändern huldigt man den Hobbyradfahrern.



Für mich ist dagegen wieder Schwerstarbeit angesagt - gilt es doch wieder, den Ruf des Reiseradlers beim französischen Rennradler zu steigern. Also Bauch rein und fröhlich mitpedaliert in der endlosen Schlange an Fahrern. Dumm nur, dass es die kommenden 20 Kilometer nur bergauf geht. Aber glücklicherweise ist die Steigung so moderat, dass ich zwar ständig überholt werde, aber selber ein Tempo fahre, welches von der überwiegenden Mehrheit der alten Randonneure noch akzeptiert wird.



Und so muss ich neben dem Treten in die Pedalen auch ständig zurückgrüßen, mich für die anerkennenden „Bon Courage“-Rufe bedanken und bei längeren an mich gerichteten Sätzen mein „je ne pas parle francais“ runterleiern. Die Landschaft ist wunderschön, aber ich kann mich jetzt nicht auch noch ums Fotografieren kümmern – zumal in der Gruppe vor mir ein Fahrer nach hinten rausfällt und -schwupps- schwungvoll von mir überholt wird. Ich könnte mich selber ohrfeigen für mein hier völlig überflüssiges Wettkampfgehabe, aber die Chance konnte ich mir einfach nicht entgehen lassen.....







Die Straße verlässt den Fluss und steigt in mehreren Serpentinen traumhaft an. Und jetzt siegt auch wieder mein touristisches Interesse gegenüber dem sportlichen und ich halte immer wieder an, um zu schauen und Fotos zu schießen. Es folgen einige langgezogene Bogen und engere Kurven und schon bin ich oben in Mezilhac. Der Pass gehört zu den schönsten Anstiegen, die ich bisher gefahren bin. Tolle Landschaft, schöne Straßenführung und eine Steigung, die mir mit Gepäck nie sonderlich schwergefallen ist.





Einziger Wehrmutstropfen ist das fehlende Foto mit Passschild – es gibt zwar eine Tafel, die ist aber so mit Rennrädern zugestellt, dass ich auf das Herauskramen der Kamera verzichte und mich zügig an die Abfahrt mache. (Anmerkung: Wie ich zu Hause erfahren habe, bewegte ich mich auch hier auf den Spuren der diesjährigen Tour de France - die 12 Etappe führt über genau diesen Streckenabschnitt.)



Die kleine Straße hinab nach Laviolle ist traumhaft. Man kann hier zwar keine Hochgeschwindigkeitsrekorde aufstellen – dafür ist der Straßenbelag einfach zu schlecht – aber die Landschaft ist wunderschön und das Fahren mit den kleinen Kurven und Kehren macht irren Spaß. Und der wird noch größer, als ich merke, dass ich auch weiterhin von den Fahrern der „L'Ardechoise“ begleitet werde. Gemeinsam schießen wir die 15 Kilometer hinab ins Tal.






Auf meinem Navigationsgerät sehe ich, dass ich in Kürze eine Abzweigung zu einer kleine Strasse nehmen muss. Aber das Fahren in der Gruppe macht so viel Spaß, dass ich erwäge, die Abzweigung zu ignorieren und noch ein paar Kilometer weiter der Rundfahrt zu folgen. Doch diese Überlegung erübrigt sich schnell, denn der Streckenverlauf der „L'Ardechoise“ folgt meiner ursprünglich geplanten Reiseroute. Da stört es auch nur wenig, dass es wieder bergauf geht – zwar nur 3,5 Kilometer, aber doch wesentlich steiler als heute Vormittag. Diesmal fällt es mir wesentlich schwerer, den Leichtgewichtsrädern und -fahrern zu folgen.





Aber 3.5 Kilometer sind nicht ewig lang und die folgende Abfahrt ist wieder mal vom Feinsten. Eine schmale Straße windet sich eine Schlucht hinab und mehr als einmal muss ich alle Kraft in die Bremsen legen, weil vor mir überraschend eine 180-Grad Kurve auftaucht.







Ich bin beeindruckt von der Landschaft, aber auch von dem Rummel, der hier um diese Hobbyrundfahrt gemacht wird. Überall ist festlich geschmückt und in den Dörfern werden Getränke und Essen am Straßenrand verkauft und alle Fahrer angefeuert – toll!





Die Zeit vergeht wie im Flug und irgendwann bin ich in Saint-Pierre-de-Colombiere und es sind nur noch 5 Kilometer zu meinem geplanten Etappenziel. Doch das ist mir viel zu früh und nahe und so schiebe ich noch eine ca. 12 Kilometer lange Schleife in meine Route ein. Ich verlasse die Rennradler – um ihnen eine Kreuzung später plötzlich wieder entgegen zukommen.



Selbst in Montvert, meinem Zielort, wo eigentlich die „L'Ardechoise“ gar nicht entlang führt, treffe ich im Dorfcafe noch zwei Rennradler, die scheinbar dem Trubel kurzzeitig entgehen wollten. Der Campingplatz ist einfach, liegt aber zentral. Angesichts der relativ frühen Tageszeit (gegen 16 Uhr habe ich bereits alle Arbeiten abgeschlossen und warte auf die Abendessenszeit) beschließe ich noch einmal einen ausgiebigen Waschtag einzulegen. Keine kluge Entscheidung, denn kaum hängt die Wäsche auf der Leine, beginnt es sich zuzuziehen und später setzt Regen ein. Mir bleibt nichts anderes übrig, als die nassen Klamotten so gut es geht im Zelt auszubreiten und Trübsal zu blasen. Zwar hält der Regen nicht sonderlich lange, aber trocken wird die Wäsche bis morgen definitiv nicht.

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