Tag 17
Meyrueis - Saint-Jean-du-Gard
125 km 1731 hm


Der allmorgendliche Blick zum Himmel offenbart Ungeheuerliches: keine Wolke weit und breit. Es ist aber noch sehr frisch, als ich gegen 9 Uhr aufbreche. Ich bin frohen Mutes, endlich einmal typisches Südfrankreichwetter erleben zu können, auch wenn mir der Wind ein wenig Sorgen bereitet. Denn sollte der wieder so kräftig blasen wie gestern, kann aus dem gemütlichen Trip in die Berge schnell ein kräftezehrender Krampf im Gegenwind werden.



Die Straße steigt schon im Ort stetig und beständig an und führt durch dichten Wald, bevor es nach einigen Kilometern flacher wird und die Causse Noir erreicht ist. Im Gegensatz zu Vorgestern ist es hier und heute relativ unspektakulär – eine Hochebene, die überwiegend landwirtschaftlich genutzt wird.





Ich bin die Straße schon einmal bei meinem ersten Cevennenurlaub gefahren und kann mich an die einzelnen Streckenabschnitte gut erinnern. Deshalb bin ich auch nicht geschockt, als nach einer kurzen Abfahrt erneut einige Höhenmeter überwunden werden müssen. Ich biege nach einigen Kilometern auf die kleine D 263 und nach wenigen hundert Metern erneut auf ein noch kleineres Sträßchen ab. Obwohl – zunächst ist die Bezeichnung „Sträßchen“ für das, was ich hier vorfinde arg übertrieben. Es sieht eher nach einem Wirtschaftsweg zu einem nahe gelegenen Bauernhof aus – total winzig, verdreckt und mit mehr Schotter als Beton führt der Weg scheinbar direkt in eine große Scheune. Ohne GPS hätte ich diesen Weg niemals gewählt – aber Satelliten lügen nicht und nach einigem Zögern mache ich mich auf den Weg. Tatsächlich führt der Weg dann doch nicht in die Scheune, sondern knapp daran vorbei. Ich passiere einen privaten Campingplatz und von dort an geht es auf fast perfektem Asphalt in einen dichten Wald. Die Straße ist klein, völlig verkehrsfrei und einfach nur toll – und ich beglückwünsche mich wieder einmal, einen solchen Weg gefunden zu haben.





Es geht steil hinab mit einigen Kehren und Kurven und viel zu schnell kündigt sich das Ende mit einem Stopp-Schild an. Doch mein Bedauern ist nur kurz, denn die D 157, die ich nun befahre, ist noch grandioser. Zwar etwas breiter, aber auch ohne jeglichen Verkehr (ich begegne lediglich 2 Wanderern) führt die Straße quer durch die mir unbekannte, aber wunderschöne Gorges du Trévezel.





In Tréves ist dann aber Schluss mit lustig und es geht auf engstem Raum über diverse Serpentinen wieder hinauf. Ich bekomme einen Schrecken, als ein Traktor, der mich vor wenigen Minuten überholt hat, plötzlich ein paar hundert Meter über mir wieder kurz auftaucht. Doch die Steigung ist dann doch nicht so dramatisch wie es anfangs den Anschein hat und liefert immer wieder schöne Ausblicke auf Tréves und die Schlucht.





Irgendwann ist das Ende der Ausblicke absehbar und ich halte noch einmal an, um die grandiose Landschaft zu fotografieren.



Ich trete los und kann nach 30 Metern wieder anhalten – für das obligatorische Gipfelfoto.



Wieder auf dem Sattel, komme ich diesmal immerhin 50 Meter weit – und muss wieder anhalten, denn vor mir taucht die Gorges de la Dourbie auf und das Panorama ist so grandios, dass ich erneut zur Kamera greifen muss.





Es ist inzwischen ziemlich warm geworden – lediglich an den Stellen, die bisher im Schatten gelegen haben, hat sich kältere Luft halten können und sind angenehm erfrischend. Ab Dourbies wechselt die Vegetation – statt Wald überwiegt nun karges Weideland, welches aber auch durchaus seine Reize hat. Schäfer führen ihre Herden an steilen Klämmen entlang und es herrscht eine herrliche Ruhe und Stille hier oben.





Das ändert sich erst etwas in L'Esperou, wo mehrere Strasßen zusammenkommen. Doch von Betriebsamkeit ist auch hier keine Spur, der Ort scheint eher im Winter zum „pulsierenden“ Magneten zu werden.

Von L'Esperou geht es hinab nach Valleraugue, was leider kein ungetrübtes Vergnügen ist, denn die Straße ist zumindest auf den ersten Kilometern in einem bemitleidenswerten Zustand. Teilweise ist neuer Belag aufgetragen – dies aber schlecht und mit tückischem Rollsplit. An einer Kurve rutsche ich mit dem Vorderrad etwas weg und liege fast auf dem Asphalt. Doch dann wird der Belag besser und ich kann das Rad auch mal über einen längeren Zeitraum einfach rollen lassen – aber nicht zu schnell, denn die Abfahrt nach Valleraugue hat einige enge Kehren, die es umsichtig zu durchfahren gilt.



Ich bin fast unten und es geht geradeaus bei leichtem Gefälle weiter bis in den Ort und zur letzten Steigung des Tages, dem Col du Pas. Die Straße ist wieder einmal winzig, aber hat doch etwas mehr Verkehr als die Wege vorher – was daran liegt, dass Saint-Jean und Anduze nicht weit entfernt liegen und der touristische Ausflugsverkehr hier deutlich höher ist als in den anderen Regionen der Cevennen. Doch richtig störend wird der Verkehr nie und es ist erstaunlich, wie sich hier die Landschaft ständig verändert. Der Col du Pas ist ein Verbindungsweg zwischen zwei breiten Flusstälern (Herault und Gardon) - deshalb folgt die Straße nur anfangs einem kleinen Zufluss und schraubt sich dann am Hang entlang stetig in die Höhe.





Der Anstieg fällt mir schwer – weniger, weil er auch seine steileren Passagen hat, sondern eher, weil es inzwischen richtig heiß geworden ist und die Sonne mir so richtig auf den Pelz brennt. Dennoch ist der Col du Pas eine richtig schöne Passstraße mit vielen Kurven und schöner Sicht in das Tal der Herault und auf die Serpentinenstraße hinauf zum Mont Aigoual.





Oben angekommen, weist mich ein Schild darauf hin, dass der Weg, auf dem ich eigentlich meine Route fortsetzen will, geschlossen ist. Ich sinniere etwas über den Unterschied zwischen „Route barrée“ und „Route fermée“, komme aber zu keinem Ergebnis.





Die ausgeschilderte Umleitung führt über Saint-André de Valborgne, was mir ganz recht ist, denn so langsam werden meine Beine müde. Es geht einige Kilometer eben am Grat entlang, bevor die Straße sich verengt und wieder einmal höchst pittoresk hinab ins Tal führt.

Ich komme an einer Baustelle vorbei und gerate auf einen frisch geteerten Straßenabschnitt – was die Bauarbeiter um ihren glatten Belag und mich um meine Reifen bangen lässt – doch (zumindest bei mir) geht alles gut.





In Saint Andre finde ich schnell den etwas außerhalb gelegenen Camping municipal, doch der ist völlig verwaist. Hinzu kommt, dass es im Ortskern nur eine winzige Epicerie gibt, die auch noch geschlossen ist und die von außen den Eindruck macht, als könne dieser Zustand auch noch länger Bestand haben. Also entscheide ich mich für die Weiterfahrt nach Saint-Jean-du-Gard, zumal es bis dahin nur sanft bergab geht.

Dort angekommen, merke ich, dass ich ziemlich kaputt bin – und diese Mischung aus Erschöpfung, Hitze, Hunger, Durst etc. mich ein wenig konfus werden lässt. Daher geht es erst einmal nicht auf einen der auf dem Weg liegenden Campingplätze, sondern direkt in den Ort und dort in den Supermarkt. Auf dem Weg dorthin begegnet mir ein Reiseradler, dem die Kette gerissen ist. Doch ich kann ihm mangels Ersatzmaterial nicht helfen und etwas enttäuscht trottet er von dannen. Später ärgere ich mich darüber, dass ich ihm nicht mehr Hilfe (welche auch immer) angeboten habe, aber in dem Moment bin ich froh, endlich im Supermarkt etwas Kühles in die Kehle zu bekommen. Später habe ich noch etwas Schwierigkeiten, mich endlich für einen Campingplatz zu entscheiden, doch spätestens nach einer Dusche und dem Abendessen geht es mir wieder richtig gut und ich improvisiere meine morgige Route zusammen. Übers Wetter werde ich mir wohl keine Sorgen mehr machen müssen....

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