Tag 18
Saint-Jean-du-Gard – Saint-Hippolyte-du-Fort
82 km 1437hm



Eigentlich ist es ja nur ein Katzensprung von Saint-Jean nach Saint-Hippolyte. Den ganzen Tag muss ich standhaft Richtungsanweiser ignorieren, die mich innerhalb weniger Kilometer an das anvisierte Ziel führen. Doch an meinem letzten „richtigen“ Urlaubsreisetag (morgen wird es eher eine nette Überführungsetappe und der Freitag ist mehr Heimfahrt als Urlaub) will ich mich noch einmal in den Bergen austoben. Da es wieder richtig heiß zu werden verspricht, bin ich schon früh auf den Beinen. Bevor es auf den Col d'Asclier geht, muss ich wieder einige Zeit auf der Straße fahren, die mich gestern nach Saint-Jean geführt hatte. Nach 8 Kilometern kommt endlich die ersehnte Abzweigung – die ich aber erst einmal ignoriere. Denn unmittelbar nach der Abzweigung beginnt der kleine Ort L'Estréchure und dort habe ich gestern eine kleine Epicerie gesehen, die zwar ziemlich verrammelt war, aber vielleicht heute doch geöffnet hat. Zumindest hoffe ich das, denn ein paar Croissants als Wegzehrung wären schon nicht schlecht – und die nächste Boulangerie liegt wahrscheinlich so, dass ich sie erst nach 12 Uhr erreiche – und die dann geschlossen ist. Ich habe Glück, denn der gestern geschlossene Laden ist tatsächlich offen und hat sogar noch drei Teilchen im nicht mehr üppigen Angebot. Glück für mich – Pech für den älteren Herrn, der hinter mir den Laden betritt und dessen Gesicht mit jeder meiner Order länger wird.



Frisch gestärkt geht es ein paar Meter wieder zurück und dann ins Seitental der Asclier – wieder mal auf einer zauberhaften schmalen Strasse, die angenehm und pittoresk nach oben führt. Ich fühle mich prima, die Sonne scheint, doch die Luft ist noch angenehm kühl und es gibt reichlich Schatten auf der Fahrbahn.





Im oberen Teil sind diverse Bauarbeitertrupps unterwegs – nahezu an jeder Kurve wird gereinigt, gemäht oder gemauert. Einer der Maurertrupps hat einen privaten PKW mitten auf die Baustelle geparkt – und aus den offenen Seitenfenstern dröhnt aus 800 Metern Höhe Khaled auf die verduzte Tier-, Pflanzen- und Radlerwelt.







Der letzte Kilometer zur Passhöhe ist etwas steiler, was aber angesichts des nahenden Gipfels kein großes Problem ist. Oben gibt es statt Gipfelkreuz einen kleinen Scheiteltunnel, eine schöne Aussicht auf das vor mir liegende Tal der Herault und die Vorfreude auf eine lange kurvige Abfahrt.







Leider ist der Belag gerade im unteren Teil ziemlich mies und was noch schlimmer ist, großflächig mit grobem Rollsplit ausgebessert. Also gibt es wieder mal keine rauschende Abfahrt, sondern eine ziemliche Bremsorgie, die meinen arg geschundenen Bremsbelägen so ziemlich den Rest geben.





Nach etlichen Kilometern und einigen Fast-Ausrutschern komme ich endlich auf die breite Strasse im Talgrund – und in Le Sigal finde ich doch tatsächlich noch eine kleine Bäckerei - und nutze das unverhoffte Glück ausgiebig. Dann wird es aber härter. Die von mir ausgewählte D11 nach Sumène erweist sich als breit ausgebaute und steile Rampe – und kostet mich reichlich Körner. Ich bin völlig konsterniert und wundere mich, dass sich diese kurze Steigung (es geht gerade mal 170 Höhenmeter nach oben) dermaßen steil nach oben schraubt. Es geht fast permanent über 9% und es ist heiß und ohne Schatten und ich leide......

Doch der Pass ist relativ kurz und das Passschild des Cap de Coste entschädigt ein wenig – und nach kurzer Abfahrt und dem schnellen Durchfahren des Ortsrands von Sumène geht es wieder bergauf.






Doch dieses Mal ist die Fahrt wieder uneingeschränkter Genuss – glaube ich zumindest, denn es geht lange und gemütlich am Ufer der Rieutord entlang, die sich mit vielen Kurven einen für mich erholsamen Weg durch die Hügellandschaft gegraben hat. Das ist bei weitem nicht so spektakulär wie in den Kerncevennen z.B. bei Tarn, Chassezac oder Trévezel, aber bietet durchweg schöne Blicke. Zwar geht es ab und zu auch mal etwas steiler in die Höhe, aber das immer nur kurz, bevor man durch flache Passagen für die Antritte belohnt wird.



Doch mir ist klar, dass es ewig so nicht weitergehen wird und nach vielen erholsamen Kilometern geht es konstant steiler nach oben – leider so steil, dass meine Wohlfühlgrenze (die aufgrund der hohen Temperaturen und des fortgeschrittenen Tagespensums auch schon bei unter 7% Steigung liegt) immer häufiger überschritten wird. Doch ist es bei weitem nicht so schlimm wie vorhin bei der zweiten Steigung des Tages. Ich strample und stapfe den Weg hinauf und irgendwann sind meine Trinkflaschen leer. Glücklicherweise habe ich es mir im Verlauf der Tour nicht abgewöhnt, mindestens einen Liter Wasser im Rucksack als Notreserve mitzuführen – auch wenn ich in aller Regel den Liter am Abend unberührt wieder weggeschüttet habe. Jetzt bin ich froh, den (über)flüssigen Ballast dabei zu haben und nehme gierig einige Schlücke.



Mit frischer, doch bald wieder erlahmender Kraft erklimme ich die letzten Kilometer und bin froh, endlich den Col de la Pierre Plantée erreicht zu haben. Zwar geht es noch einige Meter weiter hinauf, doch das stört mich nun gar nicht mehr.





Auf der Abfahrt erhole ich mich erst einmal und lasse es langsam rollen. Ich komme mal wieder an einem (wie anfangs erwähnt) Hinweisschild vorbei, welches mir eine Abkürzung nach Saint-Hippolyte anbietet. Ich will aber noch einen längeren Bogen fahren, bleibe standhaft und ignoriere (zum x-ten Mal) das Schild. Doch es geht nach der Abzweigung wieder hinauf und meine Standhaftigkeit wird schwer erschüttert. Die Beine sind plötzlich zentnerschwer und Kopf und Körper schreien nach einem schnellen Sprung in kühles Nass. Nach kurzem inneren Kampf bleibt mir nichts anderes übrig, als nachzugeben, die Abkürzung zu nehmen und die restlichen letzten 10 Cevennenkilometer ausgiebig zu feiern.






In Saint-Hippolyte-du-Fort habe ich vor 4 Jahren erstmals nach über 100 Kilometern kräftezehrendem Fahren in sengender Sonne die Vorzüge eines Swimming-Pools schätzen gelernt. Diese Freuden nutze ich auch heute (zum ersten Mal in diesem Urlaub) ausgiebig und verbringe einen Großteil des späten Nachmittags im kühlen Nass. Abends sitze ich vor meinem Zelt und mich beschleicht erste Wehmut – doch dafür und für das Ziehen eines ersten Fazits ist es noch zu früh.....

weiter zu Tag 19
zurück zur Übersicht

Kommentieren