Tag 19
Saint-Hippolyte-du-Fort – Pont-du-Gard
90 km 480 hm


Es ist schon recht warm, als ich den Campingplatz verlasse. Gestern Abend kam noch ein ziemlich erschöpftes älteres Ehepaar aus Holland auf den Platz, die mit ihren Rädern auf dem Weg nach Barcelona sind. Sie fahren ihre Route nach einem holländischen Reiseführer, der ähnlich der deutschen Bikeline-Hefte aufgebaut ist, aber statt „Deutscher Rheinradweg in 3 Bänden“ die Strecke Amsterdam-Barcelona in nur zwei Heften erschöpfend abhandelt (sogar mit diversen Alternativrouten). Unabhängig von der Frage, ob das Abfahren einer solchen festen Route für mich persönlich in Frage käme, ist es doch bemerkenswert, dass es in den kleinen Niederlanden scheinbar einen Markt für „Fernradreiseführer“ zu geben scheint, während im Radreiseland Deutschland in erster Linie nur Publikationen über Flussradwege erscheinen, die wirklich niemand braucht, da die Wegbeschilderung in aller Regel ausgezeichnet ist. Aber ich schweife ab.....

Ich will gerade losfahren, da bemerke ich, dass es aus meinem Rucksack tröpfelt – und ich habe meine erste Krise des Tages. Es hat sich nämlich dummerweise der Deckel einer Apfelsaftflasche selbständig gemacht und der austretende Saft den Rucksack gleichmäßig angefeuchtet. Die Ameisen heute Abend werden begeistert sein.

Nach dem morgendlichen Einkauf geht es endlich los – nicht unbedingt schön, aber schnell. Die Straße ist flach und es herrscht reger Verkehr – und (wahrscheinlich wiederhole ich meine Einschätzung vom letzten Jahr) die Landschaft wirkt nach den vielfältigen Eindrücken der vergangenen Wochen nicht so wahnsinnig einladend.





So mache ich das, was ich schon lange nicht mehr gemacht habe – ich bolze in die Pedalen, als gäbe es kein Morgen mehr und überfliege die wenigen kleinen Hügel im grazil geschwungenen Wiegetritt. Ich komme schnell voran und habe gegen 10 Uhr schon etwa 40 Kilometer und damit die Hälfte des heutigen Tagespensums hinter mich gebracht. Doch mein Übermut muss bestraft werden. Ab Moussac stört ein sukzessiv stärker werdender Gegenwind meine Rekordversuche. Dazu sorgt die große Hitze, dass der grazile Wiegetritt immer häufiger von einem ziemlich saft- und kraftlosen Schleichen abgelöst wird.





Dennoch bin ich schon früh in Pont-du-Gard am Aquädukt und verbringe (traditionell) einige Zeit an der Rive Droite, wo einige Bänke zur Rast und viele Touristen zum gemütlichen Beobachten einladen. Ich schwanke, ob ich mich noch einmal aufraffen soll, um nach Saint-Remy-de-Provence weiterzuradeln. Doch das Abwägen von Für und Wider bringt außer der Möglichkeit, die 1600 Gesamtkilometer eventuell vollzumachen, keinerlei Vorteile. Denn die zu durchfahrende Gegend kenne ich schon aus den Vorjahren und empfinde sie als nicht unbedingt spannend und attraktiv. Also geht es zum Campingplatz in unmittelbarer Nähe der Pont-du-Gard und der Rest des Tages dient der Erholung und einem ersten Fazit-Ziehen am Pool. Dass ich kräftemäßig und moralisch in einem kleinen Tief bin, merke ich spätestens, als ich mir am frühen Abend ernsthaft mögliche Alternativen überlege, die eine Fahrt zum ca. 4 Kilometer entfernten Supermarkt überflüssig machen. Doch ich reiße mich ein letztes Mal zusammen und belohne mich mit einigen vermutlich exquisiten Naschereien – die sich aber dann wie so oft als zwar interessant schmeckend, aber letztlich doch ziemlich eintönige Plastikpampe herausstellt. Aber zumindest der Wein ist wohlschmeckend und rundet den letzten Urlaubstag gelungen ab.

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